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Sachsens
Weg in das 21. Jahrhundert
Von
Seiner Königlichen Hoheit Dr. Albert Prinz von Sachsen Herzog zu Sachsen
Der am 3. Oktober 1990 wieder erstandene Freistaat Sachsen
hat sich in den letzten zehn Jahren eine bedeutsame Stellung innerhalb
der Bundesrepublik Deutschland erworben. Das resultiert aus der Tatsache,
daß die Bevölkerung Sachsens ihre alten Charaktereigenschaften Gewerbefleiß,
Arbeitsfreude, Heimatliebe und Humor in den Wiederaufbau nach 40 Jahren
Kommunismus einbringen konnte. Natürlich gibt es noch Probleme wirtschaftlicher
Art, die dringend gelöst werden müssen. Dazu gehört vor allem die Beseitigung
der Arbeitslosigkeit, die noch immer mit 18 % einen Negativsaldo darstellt.
Erforderlich erscheint mir zur Lösung dieses Problems, daß in Zukunft
weiterhin neue Industrie- und Gewerbezweige im Lande angesiedelt werden
müssen.
Nötig ist ferner, daß auch die Infrastruktur durch weitere zukunftsorientierte
Maßnahmen im positiven Sinne beeinflußt werden. Für mich als Historiker
steht die Frage des Verhältnisses zwischen Kultur und Wirtschaft im Mittelpunkt
des Interesses. Die Voraussetzung dafür, daß Kultur und Wissenschaft mit
ausreichenden finanziellen Mitteln überhaupt gefördert werden können,
ist eine blühende Wirtschaft mit entsprechenden Gewinnen. In dieser Beziehung
sei an die Geschichte des Chemnitzer Opernhauses vor 1945 erinnert. Bis
zum Ende des 2. Weltkrieges existierte diese musikalische Einrichtung
dadurch, daß sie in Form einer Aktiengesellschaft bestand. Deren Hauptbeteiligte
waren maßgebliche Vertreter der Chemnitzer Industrie und des mit ihr verbundenen
Gewerbes.
Auch in der Geschichte von Leipzig lassen sich ähnliche Beispiele anführen.
So waren etwa die aus Süddeutschland seit dem Mittelalter bis weit in
die Neuzeit herein eingewanderten Kaufleute maßgebliche Träger des Kulturlebens
der Messestadt. Daran erinnert noch heute das Alte Leipziger Rathaus,
das von einem aus Nürnberg stammenden Kaufmann geplant und errichtet wurde.
Das Haus Wettin förderte diese Bestrebungen intensiv dadurch, daß es die
bereits zu Beginn der Neuzeit bestehenden Leipziger Messen mit ansehnlichen
Privilegien ausstattete. Wiederholt waren auch wettinische Kurfürsten
und Könige Besucher dieser Messen. In diesem Zusammenhang ist auch an
die bahnbrechende Leistung August des Starken zu erinnern, der 1697 zum
König von Polen gewählt wurde. Auf diese Weise entstand eine von den Wettinern
regierte Personalunion, die auch für die europäische Wirtschaftsentwicklung
von grundlegender Bedeutung war. Bei Kursachsen handelte es sich bereits
im 18. Jahrhundert um ein gewerbeorientiertes Staatsgebilde, während das
Königreich Polen noch vorwiegend agrarisch ausgerichtet blieb. Auf diese
Weise ist diese Personalunion ein unmittelbares Vorbild für die heute
so aktuelle Problematik der wirtschaftlichen Einigung Europas.
Der heutige Freistaat Sachsen sollte sich daher auf diese bedeutsamen
historischen Vorgänge besinnen, wenn es darum geht, die wirtschaftliche
Stellung in Deutschland und Europa auszubauen. Durch die sorbische Minderheit
bestehen bekanntlich enge Verbindungen zu der Tschechischen Republik und
zu Polen. Diese auszunützen und damit der gegenwärtigen Politik nutzbar
zu machen, ist eine lohnende Aufgabe für die Gegenwart.
Das Haus Wettin besitzt bekanntlich auf Grund seiner historischen Tradition
nicht nur auf den Teilgebieten Polit ik, Kultur und Wissenschaft erhebliche
Bedeutung, sondern auch aufgrund seiner langjährigen Kontakte mit der
Wirtschaft und Sozialpolitik wichtige Erfahrungswerte, deren sich auch
die heutige Zeit bedienen könnte.
Als Historiker sehe ich es daher als wesentliche Aufgabe an, dem Freistaat
Sachsen in diesen Fragen auch zukünftig mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.
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