Seine
Königliche Hoheit Carl Gustav Carus und seine Freundschaft mit König Johann von Sachsen |
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Im Jahre 2001 konnte aus Anlaß des 200. Geburtstages von König Johann von Sachsen (1801/1854 - 1873) dessen Leben und Werk mit einer sehenswerten Ausstellung in Schloß Weesenstein bei Pirna gewürdigt werden. Einer seiner engsten Freunde war Carl Gustav Carus, der als Leibarzt seit König Anton im Dienste des Hauses Wettin stand und als Kenner des kulturellen und geistigen Lebens dem sächsischen Königshaus wertvolle Impulse vermittelte. Daher erscheint die Frage nach den gegenseitigen freundschaftlichen Verbindungen zwischen Carus und dem Hause Wettin-Albertinische Linie bedeutungsvoll. Schon mit den sächsischen Königen Friedrich August I. dem Gerechten und seinem jüngeren Bruder und Nachfolger Anton dem Gütigen unterhielt Carus enge und persönliche Kontakte. Diese erreichten unter dem Prinzen und späteren König Johann von Sachsen einen Höhepunkt. Bereits um 1830 begann dieser Wettiner einen Kreis geistreicher Männer um sich zu versammeln. Diesem gehörte u.a. auch Carl Gustav Carus an. Mit Recht verweist der Historiker Hellmut Kretzschmar - der Herausgeber des Tagebuches dieses wohl bedeutendsten Albertinischen Wettiners des 19. Jahrhunderts - darauf hin, daß dieser literarische Kreis, dem auch der damalige Thronfolger und Mitregent Friedrich August angehörte, "den Geist der führenden Schicht in Dresden" repräsentierte. Die erste Zusammenkunft dieses Zirkels fand im Winterhalbjahr 1826/27 statt. Interessant ist, was der damalige Prinz Johann von Sachsen in seinem Tagebuch zu berichten weiß:
In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß Prinz Johann durch seine ausgesprochene Vorliebe für italienische Kunst und Kultur auch auf das Werk Dantes gestoßen war und sich zu einer noch heute vielfach beachteten deutschen Übersetzung entschloß. In König Johann hatte Carus offenbar einen Freund gefunden, mit dem er die Vorliebe für das Studium des Lebenswerkes Dantes teilen konnte. So ist es bezeichnend, daß Carus 1827 auf Grund eigener Dante-Studien einen Plan in Form einer gotischen Fensterrose zeichnete. Um 1830 beendete Prinz Johann seine Übersetzung des "Inferno" ins Deutsche und gab dieses Werk anschließend in Buchform heraus. Es ist interessant, was der Prinz damals seinem Tagebuch anvertraute:
Carl Friedrich von Rumohr war neben seinen reichen Kenntnissen als Kunsthistoriker ein geachteter Repräsentant der zeitgenössischen Kochkunst und veröffentlichte bereits 1822 ein Buch mit dem Titel "Geist der Kochkunst". Dagegen wurde Graf Baudissin als Übersetzer der Werke des englischen Klassikers William Shakespeare weithin bekannt. Baudissin vollendete z.B. 1843 die von Schlegel und Tieck begonnene Übersetzung der Werke dieses englischen Schriftstellers und Dichters in die deutsche Sprache. Noch heute ist diese Ausgabe wichtig für die deutsch-englischen Beziehungen im Bereich der vergleichenden Literaturgeschichte. Erneut kam es zu einer engeren Verbindung zwischen Carus und dem sächsischen Königshaus insofern, als er im Juni und Juli 1834 den Prinz-Mitregenten Friedrich August zu einem Kuraufenthalt in den böhmischen Badeort Marienbad am Südabhang des Erzgebirges begleiten konnte. Bei dieser Gelegenheit besuchte Carus auch die benachbarten Kurorte Franzensbad und Carlsbad. Im gleichen Jahr kaufte er sich ein Sommerhaus in unmittelbarer Nähe der königlichen Sommerresidenz Schloß Pillnitz bei Dresden. Wie wir der Lebenschronik von Carus entnehmen können, nahm das "Dante-Komitee" 1838 seine Zusammenkünfte bei Prinz Johann von Sachsen wieder auf, um den zweiten Teil der deutschen Übersetzung zu hören und zu besprechen. Wiederholt wurde Carus auch in seiner Eigenschaft als Leibarzt bei Erkrankungen des Königs oder eines Mitgliedes der königlichen Familie gerufen. So erhielt er den Auftrag, den ernstlich erkrankten König Friedrich August II. am 31. Juli 1837 von einer Reise in die Alpen nach Dresden zurückzubringen. Mit Stolz ist vermerkt, daß Carus mit dem gesunden Monarchen wieder in Dresden eingetroffen war. Die medizinische Behandlung, die Carus eingeschlagen hatte, erwies sich offenbar als Erfolg. In ähnlicher Weise konnte er auch der in Pillnitz zu Besuch weilenden Kronprinzessin Elise von Preußen - der Schwägerin König Friedrich Augusts II. und des Prinzen Johann - die Gesundheit wiederschenken. Als Lohn dafür wurde Carus von den königlichen Herrschaften eingeladen, an einer Land- und Gondelpartie nach dem Königstein in der Sächsischen Schweiz teilzunehmen. Interessant ist, daß Prinz Johann von Sachsen bereits im Februar 1829 in einem Brief an seinen preußischen Schwager Friedrich Wilhelm mit Hochachtung über Carus berichtet. In diesem Brief schreibt der Prinz u.a. wörtlich folgendes:
Bei der in diesem Brief genannten "Schöpfung unseres Freundes" handelt es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um die"Vorlesungen über Psychologie", die Carus im Winter 1829/30 vor einem ausgewählten Zuhörerkreis in seiner Dresdner Wohnung hielt. Mit dem Wort "Dantiste" ist wiederum auf das gemeinsame Interesse für Dantes Lebenswerk verwiesen. Darauf deuten auch zahlreiche Zitate ähnlicher Art in den weiteren Briefen hin, die eindeutig auf den großen italienischen Dichter Dante Alighieri verweisen. Prinz Johann verdankt offenbar Carl Gustav Carus die Idee der Übersetzung des "Inferno" ins Deutsche. Den Beweis dafür liefert auch ein Brief des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm vom 6. April 1829, in dem er ausdrücklich den Leibarzt seines sächsischen Schwagers als "Verfasser des Höllen-Plans" bezeichnete. Daß Carus weiterhin der Motor für die Arbeiten des Prinzen Johann am Werk Dantes war, beweist ein weiterer Brief an Friedrich Wilhelm vom 18. Sept. 1832, in dem der Prinz u.a. folgendes schreibt:
Dieser Brief ist übrigens unterschrieben mit dem Beinamen "Il Sasso di Dante", womit sich der Wettiner eindeutig mit seinem schönen Aufgabenbereich identifizierte. Auch als ärztlicher Helfer schätzte Johann Carus sehr. Dieser behandelte - wie bereits erwähnt - die zu Besuch in Dresden weilende preußische Kronprinzessin Elise , die Schwägerin des Prinzen Johann. Dazu liefert ein Brief vom 30. Juli 1839 einen eindeutigen Beweis. Dort heißt es wörtlich: "Versichern kann ich übrigens, daß Elise sich sehr geschont hat und in jedem Bezug vernünftig war; aber es scheint, daß sie sich vor Dingen in Acht zu nehmen hat, welche man für ganz unbedenklich hielt. Ein großes Glück war es, daß Carus in der Nähe war und sie nun fortwährend ärztlich beobachtet werden und wir alle genannt werden konnten, was ihr nachteilig seyn könnte, da das von Laien nicht immer gehörig beurtheilt werden kann. Du kannst versichert seyn, daß gewiß alle Vorsicht angewendet werden wird..." In einer beigefügten Anmerkung am Ende dieses Briefes weist Johann nochmals darauf hin, daß es der Kronprinzessin besser geht und Carus mit ihrem Gesundheitszustand sehr zufrieden ist. Auch für die Gemahlin des späteren Königs Johann war Carus wiederholt als Arzt tätig. Ähnliches gilt für den zweiten Sohn Ernst, der - wie Johann in seinem Tagebuch berichtet - im Alter von 16 Jahren in Schloß Weesenstein am 12. Mai 1847 an der "Blutfleckenkrankheit" starb, die Carus diagnostiziert hatte. Noch heute ist im Park von Schloß Weesenstein bei Pirna ein Denkmal erhalten, das an diesen früh verstorbenen Sohn dieses bedeutenden Wettiners erinnert. Wir konnten diesen Gedenkstein anläßlich unseres Besuches 1983 zufällig entdecken, allerdings müßte diese Gedenktafel mit Inschrift dringend restauriert werden. Die freundschaftliche Verbindung zwischen Carus und dem späteren König Johann von Sachsen äußerte sich auch in der Tatsache, daß beide an der Versammlung der "Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte" 1826 in Dresden teilnahmen. Dazu besitzen wir folgenden Bericht, den uns Herr Dr. Herbert Müller (Berg) zur Verfügung stellte:
In den Jahren vor der Revolution ging Carus seiner beruflichen Tätigkeit nach. So behandelte er 1842 in seiner Eigenschaft als Leibarzt Prinzessin Amalie von Sachsen, die an einer Grippe erkrankt war und von ihm geheilt werden konnte. Dafür erhielt er von seinem Freund Johann ein Prachtwerk mit Widmung. 1844 wurde er von König Friedrich August II. gemeinsam mit seinen beiden am wettinischen Hof tätigen ärztlichen Kollegen zum Medizinalrat ernannt. Im gleichen Jahr beendete er seinen Dante-Zyklus mit dem "Paradiso". Vom 22. Mai bis 9. August 1844 begleitete Carl Gustav Carus König Friedrich August II. von Sachsen auf dessen Reise durch England und Schottland und verfaßte über diese Erlebnisse ein Buch, das 1846 unter dem Titel "England und Schottland" in Berlin erschien. Kurz darauf wurde auch eine englische Übersetzung in Buchform veröffentlicht. Die Revolutionsjahre 1848/49 verlebte Carus vorwiegend in Dresden. 1849 setzte er sich dafür ein, daß König Friedrich August II. den liberalen und radikalen Forderungen nach Übernahme der von der Frankfurter Nationalversammlung bereits beschlossenen Grundrechte entsprechen sollte. Dazu berichtet wiederum Prinz Johann in seinem Tagebuch:
Da die Hauptforderung nach Annahme bzw. Übernahme der Grundrechte erfolglos geblieben war, kam es zum Ausbruch der Dresdner Mai-Revolution vom 3. - 10. Mai 1849. Die königliche Familie befand sich in der Festung Königstein in der Sächsischen Schweiz, wo sie Carus mehrfach besuchte. Dies war auch der Fall anläßlich des Geburtstages des Monarchen am 18. Mai 1849. Aus diesem Anlaß schenkte Carus dem König eine Sepia-Zeichnung der "Rudelsburg", die sich noch heute an der Saale befindet und damals ein Mittelpunkt der deutschen Studentenbewegung war. Entscheidend für die weitere Entwicklung wurde das Jahr 1854 deswegen, weil König Friedrich August II. von Sachsen am 9. August einem Unglücksfall in Imst-Brennbichl zum Opfer fiel und dessen Nachfolger auf dem sächsischen Königsthron der Carus-Freund Prinz Johann wurde. Über diesen Unfall in Nordtirol berichtet die Chronik des königlichen Leibarztes Carl Gustav Carus folgendes:
Carus selbst verfaßte einen Tatsachenbericht über diese für ihn so traurige Reise nach Tirol und die in Sachsen abgehaltenen Trauerfeiern. In Imst-Brennbichl erinnert noch heute die aus Anlaß des ersten Todestages Friedrich Augusts II. am 9. August 1855 eingeweihte Königskapelle an diesen Unglücksfall. Auch die Unterlagen über das Ende des Königs und die damit zusammenhängenden gerichtlichen Protokolle befinden sich im Original im Archiv des Bezirksgerichtes Imst. Auch mit dem neuen König Johann von Sachsen ging die schon vor dessen Thronbesteigung bestehende persönliche Freundschaft weiter. Dasselbe galt für die gesamte königliche Familie. So besuchte bereits Ende Juli 1855 Königin-Witwe Marie von Sachsen den königlichen Leibarzt, um dessen Totenmasken- und Schädelsammlung zu besichtigen. Kurze Zeit später, am 13. August 1855, konnte Carus König Johann, Königin Amalie und drei Töchter des Königspaares als Gäste in seinem Haus begrüßen. Sie unternahmen einen Rundgang und besichtigten vor allem die bemerkenswerten Sammlungen und Kunstschätze. 1857 folgte Carus wiederum einer Einladung der Königin-Witwe Marie, um ihr und der Prinzessin Amalie aus den Gedenkblättern der mit ihm befreundeten Frau Ida von Lüttichau - einer bedeutsamen Persönlichkeit des Dresdner Gesellschafts- und Kulturlebens - vorzulesen. Frau von Lüttichau war mit Carus bis zu ihrem Tod eng befreundet und zeitweise sogar seine Patientin. Dieser Abend "verlief gleich einer Gedächtnisfeier für die Verewigte", wie es in der Carus-Chronik wörtlich heißt. Bis zu seinem Lebensende blieb diese Freundschaft von Carl Gustav Carus mit König Johann und dem sächsischen Hof der Wettiner weiter bestehen. Noch am 21. Oktober 1865 folgte Carus einer Einladung zu einer Soiree. Dabei stellte ihn König Johann der Königin der Niederlande und dem König von Portugal vor. Diese freundschaftlichen Verbindungen wirkten sich auch dahin aus, daß der Sohn von Carl Gustav Carus Albert als Hofarzt in den Dienst des Königs Albert, des ältesten Sohnes von König Johann, trat. In dieser Eigenschaft begleitete Albert Carus auch den Prinzen Georg von Sachsen, den jüngeren Bruder von König Albert, aus Anlaß seiner Brautreise nach Portugal, wo Georg seiner späteren Gemahlin Maria Anna, einer Prinzessin von Sachsen Coburg und Gotha vorgestellt wurde . Die Freundschaft zwischen König Johann und Carl Gustav Carus dauerte bis zu dessen Tod am 28. Juli 1869 an. Sie kann damit als wichtiger Beitrag zur Geistes- und Kulturgeschichte des 19. Jahrhunderts insgesamt betrachtet werden. Die Verbindung zwischen meiner Frau, Prinzessin Elmira , und mir seit 1988 mit Hans Carus und dessen Familie kann als Fortsetzung der freundschaftlichen Kontakte des Hauses Wettin während des 19. Jahrhunderts mit Carl Gustav Carus angesehen werden. Wir dürfen uns nur wünschen, daß sich auf der Basis dieser freundschaftlichen Kontakte weiterepersönliche und vielleicht auch wissenschaftliche Erfolge ergeben mögen. In dieser Beziehung wurde durch das Carl Gustav Carus-Festsymposion am 14. und 15. April 1989, das durch das "König Friedrich August-Institut für Sächsische Geschichtsund Kulturforschung in Würzburg veranstaltet wurde, die Kontinuität auch nach außen besiegelt. Ferner konnte der Autor wiederholt durch Vorträge in Dresden und München, sowie durch Publikationen dieser Freundschaft gedenken.
SKH
Dr. Albert Prinz von Sachsen Herzog zu Sachsen
Literatur- und Quellenhinweise:
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