Seine
Königliche Hoheit Die
Schlacht von Sievershausen |
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Am 9. Juli 1953 jährte sich zum 400. Male der Tag der Schlacht von Sievershausen. Dieses entscheidenden Ereignisses deutscher und europäischer Geschichte wurde mit einer großen Gedenkfeier im Sommer 1953 gedacht. Der seinerzeitige Chef des Sächsischen Königshauses, Prinz Friedrich Christian von Sachsen Markgraf von Meißen unternahm eine große Vortragsreise durch Westdeutschland. Der vor dem niedersächsischen Adel und den Landsmannschaften in Hannover gehaltene Vortrag wird im Folgenden wiedergegeben. Moritz von Sachsen
Ehe ich auf die Schlacht von Sievershausen als solche eingehen will, möchte ich zunächst in großen Zügen die ganze geistig-politsche Situation der damaligen Zeit aufzeigen. Das 16. Jahrhundert war eine Epoche unserer Geschichte, in der politische und religiöse Interessen sich doch so überschneiden, daß wir auch bei sorgfältigstem Studium aller vorhandenen Quellen nicht eindeutig sagen können, ob sich die führenden Persönlichkeiten im einzelnen Falle nur oder vorwiegend vom rein politischen oder religiösen Moment leiten ließen. Die Gewinnung einer allgemeinen Schau in dieser Hinsicht wird noch erschwert durch manche politische Entschlüsse, die zur religiösen Grundhaltungen keinem klaren und eindeutigen Verhältnis stehen, ja ihr sogar mitunter entgegengesetzt sind. Ein typisches Beispiel für diese etwas komplizierte Situation ist das Herzogtum Sachsen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, das ich in diesem Zusammenhang erwähnen möchte, zumal es den größten Feldherrn und Politiker der damaligen Zeit hervorgebracht hat: Moritz (1521-1553). 1539 starb in Dresden der streng katholische Landesherr, Herzog Georg der Reiche, nachdem seine beiden Söhne ihm im Tod vorausgegangen waren. Sein schon betagter Bruder Heinrich, der bisher über zwei kleine Ämter im Erzgebirge regierte und zwar über Freiberg und Wolkenstein, wo er unter dem Einfluß seiner Gemahlin Katharina von Mecklenburg und des Kurfürsten von Sachsen Johann Friedrich die Reformation eingeführt hatte, folgte ihm nun in Dresden in der Regierung des noch katholisch gebliebenen Landes. Die führenden Persönlichkeiten des Adels, der Geistlichkeit und der Städte hielten zunächst streng am alten Glauben fest. Der neue Herzog mußte also sehr behutsam vorgehen und legte die Grundsätze in der sogenannten Heinrichsagende fest, die von nun an für die Einführung der Reformation im Herzogtum Sachsen maßgebend war und die als das erste staatliche Dokument der evangelischen Landeskirche angesehen werden kann. Herzog Heinrich war persönlich Protestant geworden, konnte sich aber trotzdem nicht entschließen, sich dem Schmalkaldischen Bund so anzuschließen, wie es z. B. der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen getan. Heinrich hatte sich nur gebunden für den Fall eines evidenten, klar nachweisbaren Angriffs auf die evangelische Religion als solche. Eine weitere politische Bindung ging er nicht ein. Maßgebend hierfür dürfte die Tatsache gewesen sein, daß die Habsburgischen Lande der Krone Böhmens im Süden und Osten an sein Land grenzten, die damals die bedeutendste Macht dieses Hauses im Südosten und Süden des Reiches darstellten. Mit König Ferdinand, der in Prag residierte und der Bruder Karls V. war, mußte der herzogliche Beschützer der neuen Glaubensbewegung als einem politischen Faktor ersten Ranges rechnen, während der Kurfürst von Sachsen und erst recht der Landgraf von Hessen sich in der Hinsicht in einer weitaus unabhängigeren Lage befanden. Es nimmt uns daher nicht Wunder, daß Herzog Heinrich in Prag den Versuch unternahm, eine Tochter König Ferdinands für Moritz, seinen ältesten Sohn, als Gemahlin zu gewinnen. Es ist dies eine Handlungsweise, die, wie oben bemerkt, in einem direkten Gegensatz mit der eindeutig evangelischen Grundhaltung des sächsischen Landesherrn steht. Um aber diesen ungünstigen Eindruck einerseits zu mildern und andererseits alles zu tun, um doch in der einmal als richtig angesehenen Linie zu bleiben, versuchte der Herzog den bömischen König zu bewegen, seine Tochter auch am sächsischen Hof ganz erziehen zu lassen, d. h. sie natürlich im Sinne der neuen Lehre zu beeinflussen. Nach einer nur zweijährigen Regierung starb Herzog Heinrich und auf ihn folgte 1541 sein Sohn Moritz mit 20 Jahren. Unter den Räten befanden sich noch solche, die schon im Dienste seines Oheims, des streng katholischen Herzogs Georg gestanden. Wir müssen hier vor allem den bedeutenden und willensstarken Georg von Carlowitz nennen, der noch katholisch und ein überzeugter Anhänger einer habsburgtreuen Politik Sachsens war. In einem engen Anschluß an dies Reich sah Carlowitz die Möglichkeit, Sachsen groß und mächtig zu machen und damit zum maßgebendsten Land in Mitteldeutschland. In religiöser Hinsicht erstrebte er eine Reform innerhalb der Kirche und war der Initiator all der Religionsgespräche in Sachsen, die leider ergebnislos verliefen. Der noch sehr junge und noch nicht gefestigte Herzog Moritz kam naturgemäß die ersten sechs Jahre seiner Regierung unter den Einfluß diese klugen und erfahrenen Staatsmannes, der am Hof von Prag und auch an dem Kaiser Karls V. in hohem Ansehen stand. So hat Granvella, der Kanzler des Kaisers, immer wieder versucht, mit Carlowitz ins Gespräch zu kommen und großen Wert darauf gelegt, seine Ansichten mit denen des sächsischen Staatsmannes in Übereinstimmung zu bringen. Es war für Carlowitz auch nicht allzu schwer, auf seinen jungen Herrn im Sinne dieser Politik einzuwirken, der einerseits an den evangelischen Höfen von Freiberg und Wittenberg, andererseits an den katholischen Höfen von Dresden, Magdeburg-Halle und am Hoflager des Kaisers aufgewachsen war. Dazu kam, daß Moritzens jüngster Bruder katholisch blieb und Page am Hof des böhmischen Königs war, wo er in jungen Jahren starb. Wenn auch Moritzens Grundhaltung eine evangelische war, was sich vor allem in den späteren Lebensjahren zeigte, so besaß er jedoch einen sehr klaren Begriff von der Bedeutung katholisch regierter Länder und dies erleichterte naturgemäß eine Annäherung an die kaiserliche Politik. Der Schmalkaldische Bund Während also noch in Dresden katholisches und habsburgisches Gedankengut Jahre lang neben dem neuen evangelischen weiter wirkte, hatte sich schon viel früher am kurfürstlichen Hof von Wittenberg und an dem landgräflichen von Kassel unter dem persönlichen Einfluß Luthers eine ausgesprochen evangelisch-lutherische Grundhaltung gebildet, die alle anderen bisherigen Einflüsse ausschloß. So ist es erklärlich, daß der Kaiser vor seinem Kampf mit dem Schmalkaldischen Bund Moritz von Sachsen schließlich doch gewinnen konnte, während alle Versuche, den geistig beweglichen und tatbereiten Phillipp von Hessen auf seine Seite zu ziehen, scheiterten, wobei der seelische einschichtigere und unbeirrbar lutherisch eingestellte Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen ihm eine beachtliche Hilfestellung gegeben hat. Johann Friedrich war wohl der Fürst, der in der damaligen Politik am ausgesprochendsten nur seinem evangelischem Gewissen folgte und als frommer, ein innerlich Leben führender Mann einen bestimmten Einfluß auf die Geisteshaltung des Schmalkaldischen Bundes gehabt hat. Um den kursächsischen und hessischen Raum herum bildete sich allmählich der Schmalkaldische Bund, dem Kur-Brandenburg, Pommern, Mecklenburg, Lüneburg-Celle, Württemberg, Brandenburg-Kulmbach und einige Reichsstädte angehörten, darunter vor allem Goslar, was auch ein Anlaß war zu der immer wieder entstehenden Feindschaft dieser Stadt mit dem unbeirrbar kaisertreuen Welfenherzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, eine Tatsache, die mitentscheidend war für die Kämpfe im niedersächsischen Raum, deren Höhepunkt die Schlacht von Sievershausen war. Die Einzelheiten werden wir später besprechen. So stark der Schmalkaldische Bund durch seine Organisations-, durch seine reichlichen Geldmittel auch war, - er war dadurch die bedeutendste politische Macht im Reich - so wurde er jedoch immer wieder durch Zwistigkeiten aller Art in den eigenen Reihen geschwächt. Dies erleichterte es dem Kaiser, bei der Auseinandersetzung zunächst seine ganze Kraft gegen den einen maßgebenden Führer zu richten und dadurch die Unterwerfung des anderen erst herbeizuführen. Carlowitz wie auch Granvella wußten genau, daß Herzog Moritz und Kurfürst Johann Friedrich miteinander im Streit lagen wegen ihrer Ansprüche auf Magdeburg und Halberstadt und dann war es ihnen nicht unbekannt geblieben, daß Herzog Moritz auch mit seinem Schwiegervater Phillipp von Hessen nicht gut stand, da der Landgraf nach einer gemeinsamen kriegerischen Aktion der Schmalkaldischen Fürsten gegen den Welfenherzog von Wolfenbüttel die Vermittlerrolle Moritzens, die zur Gefangennahme des Welfen führte in Unkenntnis darüber, was Moritz Heinrich versprochen, in einer Weise deutete, die dem moralischen Ansehen des sächsischen Herzogs schaden mußte. Carlowitz und Granvella fanden also bei Moritz für ihre Pläne, ihn im Schmalkaldischen Krieg für den Kaiser zu gewinnen, einen guten Boden vor. Bei Berücksichtigung aller dieser Umstände und Imponderabilien wird man doch die Ansicht mancher Historiker dahingehend modifizieren müssen, daß von einem Verrat Moritzens an der evangelischen Sache nicht unbedingt gesprochen werden kann, zumal er in der Linie einer weitgehenden Zurückhaltung vor dem Schmalkaldischen Bunde verblieb, wie schon sein Vater sie innegehalten hatte. Die Gegner des Schmalkaldischen Bundes Der Hauptgegenspieler gegen den Schmalkaldischen Bund, Kaiser Karl V., verfügte auch nicht über jene große Macht, die manche Geschichtsschreiber als unbedingt gegeben ansehen. Obwohl in seinem Reich die Sonne nicht unterging, flossen die Einnahmen aus den amerikanischen Kolonien Spaniens nur unregelmäßig und die Spanier sahen es nur ungern, wenn die Mittel ihres Reiches auswärts verwendet wurden. Aus Deutschland selbst hatte Karl keine persönlichen Einkünfte, denn er hatte die deutschen Länder des Hauses Habsburg seinem Bruder Ferdinand überlassen müssen, dessen Kräfte durch die Türkenkriege fortwährend gebunden waren. So blieb der Kaiser auf die Einkünfte der Niederlande und Oberitaliens und vor allem auf Kredite der oberdeutschen Bankhäuser angewiesen. Diese Tatsachen sind von entscheidender Bedeutung. In Flandern und in Augsburg lagen die letzten und bedeutendsten Kraftreserven Karls V. Wer also den Kaiser wirklich treffen wollte, mußte Herr über die Fuggerstadt und die flämischen Handelsstädte sein, wo die europäischen Erzeugnisse den Weg nach Übersee nahmen und eine bedeutende Einfuhr von da und anderswoher erfolgte. Der Drang nach diesen beiden Urquellen der kaiserlichen Macht war bestimmend für die Kämpfe, von denen wir nach sprechen werden und die in Sievershausen einen grandiosen und erschütternden Abschluß gefunden haben. Nächst den geistlichen Fürsten waren noch zwei andere Landesherren kaiserlich eingestellt, doch waren diese beiden Partner recht schwierige Bundesgenossen: der Herzog von Bayern und der Welfenherzog von Wolfenbüttel. Ersterer stellte oft die bayerischen Sonderwünsche oben an, letzterer war ein eigenwilliger und unruhiger Herr, der mit niedersächsischer Zähigkeit nicht nur an der allgemeinen kaiserlichen Grundhaltung festhielt, sondern sich nicht von Feindschaften lösen konnte, in die er einmal hineingeraten war. Da Herzog Heinrich von Wolfenbüttel häufig sich in Geldverlegenheiten befand, auch bereitete er dem Handel seiner Stadt Braunschweig immer wieder Schwierigkeiten und war durch seinen Geldbedarf auch mit seinem Adel verfeindet, dem er Schlösser als Pfand gegen Kredite überlassen mußte. Durch seine Unnachgiebigkeit wurde allmählich der ganze Raum in und um Wolfenbüttel zu einem ständigen Unruheherd und es ballte sich immer wieder Kräfte aller Art gegen diesen Herzog zusammen, so daß dem Kaiser letzten Endes nur Schwierigkeiten von diesem Bundesgenossen im allgemeinen zu teil wurden. Er war dadurch kein vollwertiger Helfer. Karl V. stand also in diesem Kampf mit den Schmalkaldischen Fürsten nicht so gefestigt und stark da, wie man es vielfach meinen könnte. Die Stellung des Kaisers Dazu kam, daß Karl im europäischen Raum mit einem Feinde rechnen mußte, der ihm in den Grenzbezirken seiner Niederlande und in Italien immer wieder kriegerische Schwierigkeiten bereitete: Frankreich, das sich der drohenden Umklammerung durch das spanisch-habsburgische Weltimperium erwehren mußte, zumal Kaiser Karl darauf ausging, die Gebiete aus dem Erbe seiner Großmutter Maria von Burgund zurück zu gewinnen, die Frankreich beiderseits der Somme durch siegreiche Feldzüge an sich gerissen hatte. Auch der Papst, dessen Kirchenstaat von der Weltmacht Karls V. von der Lombardei und von Süditalien aus umklammert war, suchte Anschluß an Frankreich und hat in den Glaubenskämpfen des 16. Jahrhunderts dem Kaiser aus politischen Gründen wie eben geschildert nicht die Hilfe zukommen lassen, die man wohl hätte erwarten können. Wir sehen also, daß dem spanisch-habsburgischen Weltimperium ein Zweibund gegenüber steht: Frankreich und der Kirchenstaat, zu dem dann im deutschen Raum im engeren Anschluß an Frankreich ein dritter Machtfaktor sich gesellt: der Schmalkaldische Bund. Auch die Türken gehören naturgemäß irgendwie in diese Machtkonstellation hinein. Letzten Endes war auch Ferdinand von Böhmen, der zugleich Herr über die östereichischen Alpenländer und über Vorderöstereich bis an die Ufer des Rheins im oberdeutschen Raume war, ein nicht unbedingter Anhänger und Bundesgenosse seines kaiserlichen Bruders, denn er erstrebte die Kaiserwürde für sein Haus und mußte zur Ausschaltung der spanischen Thronkandidatur Philipps II. freundschaftliche Beziehungen auch zu den Schmalkaldischen Fürsten pflegen, von deren Einstellung die künftige Kaiserwahl stark abhängig war. Wir sehen also, daß Karls V. spanisch-habsburgisches Weltreich in einer weitgehenden Isolierung sich am Vorabend großer europäischer und deutscher Auseinandersetzungen befand. Wollte der Kaiser in Glaubensfragen wieder zu einer Einigung gelangen, so gab es hierfür nur zwei Alternativen: Gütliches Übereinkommen für ein Nebeneinanderleben oder Anwendung von Gewalt, wobei immer zu bedenken blieb, daß geistige Bewegungen niemals mit Waffen bekämpft werden können. Höchstens gelings es machtpolitische Träger von geistigen Bewegungen ihrer Macht zu entkleiden. Ob diese grundlegende Wahrheit von dem kühl und nüchtern denkenden Kaiser immer in voller Klarheit erkannt wurde, erscheint fragwürdig, vielleicht war er dabei zu sehr der Erbe jener spanischen Könige geworden, die einst einen politischen Glaubenskampf gegen die Mauren geführt hatten, wobei es gelungen war, den politischen Gegner so zu schlagen, daß er sich kaum mehr im Lande behaupten konnte und damit für seinen Glauben jede weitere Entfaltungsmöglichkeit nicht mehr gegeben war. Entschloß sich der Kaiser zu diesem politisch-religiösem Kampf in Deutschland, so mußte er damit rechnen, daß die Kräfte der vorhin geschilderten antihabsburgischen Mächtegruppe irgendwie auf den Plan traten.
wird fortgesetzt
(Dieser Text erschien 1953 im Verlag von E. Bunkenberg, Zeven)
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