LAGE
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Die
Königskapelle Brennbichl bei Imst/Tirol |
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Die sächsische
Königskapelle Brennbichl bei Imst - Gemeinde Karrösten - liegt 1 km
nordwestlich vom Bahnhof Imst-Pitztal entfernt. Der Fußweg zur Kapelle
und den umliegenden Häusern des Weilers Brennbichl zweigt von der Pitztaler
Landstraße unmittelbar nach der Innbrücke nahe einer Eisenbahnersiedlung
(Wegweiser beachten) nach rechts ab.
Kraftfahrer aus München, Innsbruck und Arlberg benützen die Bundesstraße
1 bis zum Hotel Neuner (Parkplatz). Von hier beträgt die Gehzeit auf
der Pitztaler Straße nur 5 Minuten bis zur Kapelle. Das kleine Gotteshaus
liegt am Fuße eines bewaldeten Hügels, des Romedi, der mit einem Felssturz
am Ufer des Inns endet. Die Landschaft wird von den Ötztaler (Acherkogel,
3008 m) und Lechtaler Alpen (Parseier-Spitze, 3040 m) eindrucksvoll
abgegrenzt.
GESCHICHTE
Die Königskapelle
wurde auf Veranlassung der Königin Marie von Sachsen (1805 - 1877),
einer Tochter des bayerischen Königs Max I. Josef (1756 - 1825), zur
Erinnerung an ihren hier tödlich verunglückten Gemahl König
Friedrich August II. von Sachsen (1797 - 1854) erbaut.
Wie war es zu diesem Unglücksfall gekommen? Das Königspaar brach am
1. August 1854, nach einem Besuch der Lausitz, über Leipzig nach München
auf. Es besuchte dort die Industrieausstellung und reiste weiter nach
Possenhofen, wo die Königin bei ihren bayerischen Verwandten zurückblieb.
Der König fuhr mit seinem Flügeladjutanten Eduard von Zezschwitz (1808
- 1880) und dem Kammerlakai Kleeberg zum zehnten Mal nach seinem geliebten
Land Tirol mit dem Ziel, das Pitztal kennenzulernen und naturwissenschaftlich
zu erforschen.
Friedrich August bestieg zuerst den Solstein und weilte dann auf der
Alpe Lisenz (heute Lüsens im Sellraintal) und kam am 8. August in Altbrennbichl
an. Er nächtigte dort im Gasthof (heute Hotel) Neuner und brach am nächsten
Tag gegen 10 Uhr zu seinem geplanten Ausflug auf.
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König
Friedrich August II. von Sachsen |
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In der
steilen Wegbiegung oberhalb der jetzigen Kapelle scheuten die Pferde,
der Wagen kippte nach rechts um, und der König wurde zwischen die Pferde
geschleudert. Von einem schweren Hufschlag am Hinterkopf getroffen,
verlor er sofort die Besinnung. Mit Unterstützung seines Flügeladjutanten
von Zezschwitz und einheimischer Helfer trug man ihn in den Gasthof
Neuner zurück.
Ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, hauchte hier der friedliebende
Fürst, der sich um die Verfassungsgebung in Sachsen hohe Verdienste
erworben hatte (unter seiner Regierung wurde die erste sächsische Eisenbahnlinie
Dresden - Leipzig erbaut und die Eibdampfschiffahrt eröffnet), gegen
11 Uhr seine Seele aus. Der "Frühmesser" Stefan Krismer (1777-1870)
konnte ihm noch die hl. Sterbesakramente spenden. Der König blieb bis
zum 13. August 1854 im Sterbezimmer aufgebahrt und wurde von dort gegen
1 Uhr mittags in feierlichem Zug über den Fernpaß nach Bissenhofen gebracht.
(Im Hotel Neuner wird das Sterbezimmer mit Erinnerungsstücken in Ehren
gehalten und auf Wunsch Interessenten gezeigt.)
Mit der Eisenbahn gelangte der Sarg über Augsburg, Hof u. Leipzig nach
Dresden. Am 16. August fand die feierliche Beisetzung in der katholischen
Hofkirche statt. Königin-Witwe Marie ließ schon im folgenden Jahr an
dem Ort des Unfalls eine Kapelle errichten. Bereits am 19. April 1855
erfolgte die Grundsteinlegung und am 8. August die Benediktion durch
Dekan Lindenthaler (1799-1873), Imst, im Beisein der Königin Marie,
des kaiserlichen Statthalters von Tirol, Graf Cajetan von Bissingen
(1806 - 1890), und vieler Gäste, vor allem aus Sachsen.
Während der heiligen Messe empfing die Königin die Kommunion aus der
Hand Stefan Krismers. Seit diesem Tage findet alljährlich in der Kapelle
eine hl. Messe statt.
DIE
KAPELLE
Sie wurde
nach den Plänen des k. k. Ingenieurs und Baurats in Innsbruck Joseph
Rokita (1811-1887), der im nahen Roppen zur selben Zeit die Pfarrkirche
St. Leonhard erbaut hat, aus behauenen Steinquadern in neugotischer
Form aufgeführt. Das erforderliche Land stellte die Gemeinde Karrösten
unter der Bedingung unentgeltlich zur Verfügung, daß die königliche
Familie das Öl für das Ewige Licht in der dortigen Pfarrkirche stifte.
Über dem Portal des Kirchleins befindet sich in weißem Marmor das sächsisch-bayerische
Allianzwappen. Es stammt aus der Werkstatt Johann Grissemanns (1831-1892)
aus Imst, der in Wien, München, Florenz und Rom gelernt hatte und durch
viele Grabdenkmäler mit figürlichen Kompositionen bekannt wurde. Er
leitete die Holzschnitzereischule in Imst. Wahrscheinlich schuf er auch
den Erinnerungsstein, der sich ursprünglich an der Stelle befand, wo
der König tödlich verletzt wurde. Diese Steinplatte ist heute an der
Mauer zur Bergseite hin befestigt.
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Darstellung
des Unglücksfalls am
9. August 1854 |
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Den Altar
schnitzte Franz Xaver Renn (1784 - 1875), ein Sohn des Imster Bildhauers
Josef Anton Renn. Er schuf Altäre und Figuren für Kirchen in Tirol,
Deutschland, Schweiz, Holland und Frankreich. Der neugotische, sehr
gute Altar in der Königskapelle zeigt den gekreuzigten Christus mit
gesenktem Haupt, zu dessen Füßen nur die Gottesmutter steht, wohl ein
Hinweis auf den Witwenstand der Königin Marie. Bemerkenswert sind die
von ihr gestickten Meßgewänder sowie zwei Kelche aus jener Zeit und
die Gästebücher. Kaiser Franz Joseph l. (1830 - 1916) trug sich hier
anläßlich seines Besuches am 12. August 1881 ein. Auf eine Anregung
des Denkmalamtes in Innsbruck, damals unter der Leitung des Grafen Oswald
Trapp, wurde das Kapellenäußere auf Kosten des Landes Tirol seit 1957
durch Dipl.-lng. Alfred Matuella renoviert. Markgraf Friedrich Christian
von Meissen (1893 - 1968) ließ durch den fürstlich Thurn und Taxis'schen
Architekten Hermann Rau mit Hilfe der Imster Firmen H. Steinmayr und
F. Sperl den Innenraum erneuern, das Areal mit einer Mauer aus Ötztaler
Natursteinen umgeben und 1960 im Garten hinter dem Chor eine Grabanlage
für sich und sein Haus erbauen. Das schmiedeeiserne Tor trägt die Monogramme
M = Marie und F. C. - Friedrich Christian zum Hinweis auf die Erbauerin
der Kapelle und den Schöpfer der Grabanlagen.
WÜRDIGUNG
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Eröffnung
der Kapelle am
8. August 1855 |
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Diese einfache
neugotische Kapelle mit der von der Königin Marie so feinfühlig ausgedachten
und durch alle beteiligten Künstler und Handwerker so beziehungsreich
und ansprechend geschaffenen Ausstattung - besonders des Altares - zeugt
von den Verinnerlichungsbestrebungen des 19. Jh., die hier einen Zusammenklang
von bewährter Oberlieferung der Tiroler Bildhauerschule und Neubeginn
durch Wiedererweckung von Elementen aus dem hohen Mittelalter ergeben.
Die Begräbnisstätte des Hauses Wettin albertinischer Linie verleiht
diesem Ort noch dazu eine historische Verbindung von Tradition und Gegenwart.
PRINZ
FRIEDRICH CHRISTIAN
der Erneuerer der Königskapelle
Prinz Friedrich
Christian, Markgraf von Meissen, Herzog zu Sachsen, starb am gleichen
Tage wie sein Urgroßonkel Friedrich August II. am 9. August 1968 und
fand als erster Chef des Sächsischen Königshauses in Brennbichl seine
letzte Ruhestätte. Friedrich Christian wurde als zweiter Sohn des letzten
Königs von Sachsen, Friedrich August III. (1865-1932), am 31. Dezember
1893 in Dresden geboren.
Nach Besuch der Prinzenschule im Taschenbergpalais und Abitur am königlichen
Gymnasium Dresden-Neustadt nahm er mit 21 Jahren als Ordonnanzoffizier
des Generalkommandos des XII. AK am Westfeldzug 1914 teil. An allen
Fronten tat er bei verschiedenen Truppenteilen Dienst.
Diplomatische Missionen führten ihn zu Kaiser Karl von Österreich (1887
bis 1922), Sultan Mohammed V. (1844-1918) und König Ferdinand von Bulgarien
(1861-1948). Ausgezeichnet mit dem Ritterkreuz des Kgl. Sächsischen
Militär St. Heinrichs-Ordens, der höchsten sächsischen Kriegsauszeichnung
und anderen hohen Orden, kehrte er im Rangs eines Hauptmanns 1919 in
die Heimat zurück.
Er promovierte in Köln mit der Arbeit "Die Konkordanz des Nikolaus von
Cues" zum Dr. jur. Der Verzicht seines Bruders Kronprinz Georg (1893-1943)
auf die Erbfolge (er wurde zuerst Welt- dann Ordensgeistlicher) lenkte
sein Leben fortan in andere Bahnen.
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Prinz
Friedrich Christian, der Erneuerer der Königskapelle |
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1923 heiratete
er Prinzessin Elisabeth von Thurn und Taxis, betätigte sich auf wissenschaftlichen
Gebieten und in katholischen Laienorganisationen und übernahm dann mit
dem Tode seines Vaters 1932 die Aufgaben eines Hauschefs. Den ältesten
Titel seines Hauses Markgraf von Meissen führte er seither als Hauptnamen.
Markgraf Friedrich Christian baute auf einem alten Familienweinberg
bei Dresden ein neues Haus und übersiedelte 1936 mit seiner siebenköpfigen
Familie aus Bayern dorthin. Hier, im Haus Wachwitz, wie im ganzen Land
entfaltete er eine rege Tätigkeit. Er verfaßte Aufsätze und hielt Vorträge,
führte Begegnungen mit Gelehrten und Künstlern herbei und gab ihnen
Aufträge.
Dank guter Einnahmen aus dem auf Industrie umgestellten Besitz konnte
er die Kapellen seiner Besitzungen Wachwitz, Rehefeld im Erzgebirge,
Sibyllenort und Peuke in Niederschlesien renovieren und dem Gottesdienst
zugänglich machen. Diejenige seines Hauptwohnsitzes Wachwitz ließ er
von Josef Bickel (Garmisch-Partenkirchen) ausmalen.
Gelegentlich seiner Besuche der Grabstätten seiner Vorfahren in Altzella,
Meissen, Freiberg, Pretzsch und in der Hofkirche zu Dresden kam er schon
in den frühen zwanziger Jahren nach Brennbichl, um am 9. August, dem
Todestag seines königlichen Vorgängers Friedrich August II., der hl.
Messe in der Königskapelle beizuwohnen.
Nach dem Zusammenbruch 1945, durch den das königliche Haus fast sein
ganzes Vermögen verloren hatte, stellten sich ihm neue Aufgaben, vor
allem ideeller Art, denen er sich voll und ganz widmen konnte. So setzte
er sich für die Sammlung der verstreuten Sachsen ein, gründete den Sächsischen
Adelsverband, die Dachorganisation aller Deutschen Adelsverbände, die
Studiengruppe für Sächsische Geschichte und Kultur und unterstützte
die Bundeslandsmannschaft Sachsen.
Nach dem Zusammenschluß der noch lebenden Heinrichsritter im Kapitel
des Kgl. Sächs. Militär St. Heinrichs-Ordens übernahm er die mit
der Würde des Chefs des Hauses Wettin verbundene Stellung als Großmeister
dieses hohen Ordens.
Regelmäßig hielt er Vorträge und organisierte oder veranlaßte eindrucksvolle
Veranstaltungen zur Pflege sächsischer Tradition, z. B. 1953 die zur
400. Wiederkehr des Todesjahres des Kurfürsten Moritz von Sachsen in
Sievershausen und als letzte die feierliche Wiederaufführung des Te
Deums von Johann Adolf Hasse (1699-1783) am 17. Mai 1968 im Rahmen eines
großen Kirchenkonzertes zu St. Peter in München.
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Einstweilige
Denksäule zu Brennbichel 1854 |
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Auf seinen
seit 1958 regelmäßigen Fahrten in das Oberengadin machte er regelmäßig
Halt in Brennbichl. Da seine Rückkehr in die alte Heimat aussichtslos
schien, bestimmte er nach Wiederherstellung der Kapelle in Brennbichl
wenige Jahre vor seinem Heimgang das dortige letzte Stückchen Erde,
das den Wettinern von all den Erinnerungsstätten ihrer großen Vergangenheit
verblieben war, zu seiner und der Seinen letzten Ruhestätte.
Wie schon oben erwähnt, starb Friedrich Christian am 9. August 1968
in Samaden. Er wurde feierlich am 13. August 1968 durch Dekan Alfons
Lorenz von Imst und Pater Emmeram OSB Prinz von Thurn und Taxis beigesetzt.
Die Traueransprache hielt Weihbischof Defregger von München.
Auf der schlichten Grabplatte stehen unter einem Malteserkreuz Name
und Daten des Markgrafen Friedrich Christian von Meissen, der auch ohne
den äußeren Glanz der alten sächsischen Königskrone doch ein Fürst seiner
getreuen Sachsen war, ein Fürst im Reiche des Geistes, des demütigen
Glaubens und der unverlöschbaren Heimatliebe.
Prinz-Friedrich-Christian-Stiftung