Seine Königliche Hoheit Dr. Albert Prinz von Sachsen
Herzog zu Sachse
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Ihre Königliche Hoheit Elmira Prinzessin von Sachsen
Herzogin zu Sachsen

Die Wettiner in Sachsen und Thüringen

Schriftenreihe des König Friedrich August - Instituts zur Sächsischen Geschichts- und Kulturforschung e. V.

Dresden 1996


   
 

 

Erinnerungen an das Kunst- und Musikleben Dresdens

Dresden als Kulturstadt von überregionaler Stellung besitzt erhebliche Bedeutung für die kulturelle Entwicklung Deutschlands und Europas insgesamt. Daher ist es für unseren Zusammenhang von Interesse, sich die Erinnerungen eines Zeugen ins Gedächtnis zu rufen, der noch das Königreich Sachsen, den Freistaat Sachsen zwischen den beiden Weltkriegen und schließlich das NS-Regime persönlich erlebte. Bei diesem Vertreter des Hauses Wettin-Albertinische Linie handelt es sich um Prinz Friedrich Christian von Sachsen Herzog zu Sachsen Markgraf von Meißen (l 893 - 1968). Seine Erinnerungen betreffen vorzugsweise das Musikleben, das seit dem Beginn der Neuzeit untrennbar mit dem wettinischen Hof verbunden war.
Besonders beeindruckten den Prinzen Friedrich Christian von Sachsen die kirchenmusikalischen Darbietungen in der Dresdner Hofkirche an den hohen Festtagen des katholischen Kirchenjahres. Zur Tradition dieses Gotteshauses gehörte es, am Fronleichnamsfest die Krönungsmesse in C-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart aufzuführen. Sie wurde einst nach dem Abschluß des österreichischen Erbfolgekrieges (18. Jh.) im Auftrag des Fürstbischofs von Salzburg wahrscheinlich aus Anlaß der Krönung der Gnadenmutter von Maria Plain komponiert, schrieb man doch der Mutter Gottes die glückliche Rettung der Stadt an der Salzach zu. Dazu bemerkt Prinz Friedrich Christian von Sachsen:
"In der auf einer das ganze Umland beherrschenden Höhe liegenden Salzburger Wallfahrtskirche hörte ich vor einigen Jahren eine Aufführung der Krönungsmesse durch das Orchester des Mozarteums unter Bernhard Paumgartners Leitung. Die innige Beziehung dieser frühbarocken Kirche zu Mozart und zu seiner Krönungsmesse gab der musischen Veranstaltung eine bedeutsame kunsthistorische Note. Am Altar und vor dem gekrönten Gnadenbild brannten Lichter und der Wallfahrtspriester verrichtete vor und nach der Aufführung Gebete zu Maria, der Königin dieser Kirche und der ihr zu Ehren komponierten Messe. Die Mittel für dieses religiös-künstlerische Erlebnis verdankten wir drei Hamburger Familien evangelischen Glaubens, die sich unseren Dankes-bezeugungen dadurch entzogen, daß sie sich ganz im Hintergrund hielten. Es war eine eindrucksvolle gute Auffuhrung. Man spürte aber, daß sich das bekannte, eher noch junge Salzburger Orchester wohl meist aus schlichten, einschichtigen, bäuerlichen oder städtischen Kreisen rekrutierte, dazu bei allem ehrlichen Bestreben rein, korrekt und mit Empfinden zu spielen, fehlte im Vergleich zu Dresden im Tempo der Schwung und dazu vermißte man jene feinen Nuancen, die einem Orchester mit großer Tradition, berühmten, alten Instrumenten und erstklassigen Interpreten zu eigen sind. Wie konnte ich Herbert von Karajan verstehen, der das jetzige Dresdner Orchester, das er in Salzburg dirigierte, gar nicht genug loben konnte. Ob ich wollte oder nicht: Ich mußte immer wieder an die Aufführung der Krönungsmesse in Dresden denken."
Besondere Bedeutung für die Musikpflege in der katholischen Hofkirche zu Dresden besaß auch das 19. Jh. Noch bis in die Gegenwart wird in regelmäßigen Abständen die As-Dur-Messe von Karl Gottlieb Reißiger aufgeführt. Über diese eindrucksvolle Komposition Dresdner Hofmusik besitzen wir aus der Feder von Prinz Friedrich Christian folgenden Bericht:
"Diese As-Dur-Messe hat etwas ungemein Anheimelndes und Wohltuendes. So ist das Credo ein Sprechgesang, der von Violinen in getragenem Tempo begleitet wird, die ein unvergleichlich schönes Thema spielen, das dem epischen Text eine belebende Note gibt. Oft und oft habe ich es früher auf meiner Geige gespielt, nach den Noten eines Werkes: Musik am sächsischen Hofe, eine Art von Compendium der Opera des goldenen und silbernen Zeitalters Dresdens in der 1. und 2. Hälfte des 18. Jh. Diese Musik Reißigers in der As-Dur-Messe war nicht nur herzerwärmend, sondern stimmte ganz besonders zum Gebet. Hatte man sie vernommen, so verließ man die ehrwürdige Kirche als irgendwie anderer. Von Reißiger sagt man, daß er eine Atmosphäre von Liebe und Güte um sich verbreitete, die allen, die ihm begegneten, wohltat. Diese friedvolle Nächstenliebe, die aus der Vereinigung mit dem Allerhöchsten hervorgeht, war fast allen Romantikern zueigen. Sie ist es, die diesem uns heute ferner stehenden Zeitalter ein charakteristisches Gepräge gab. Es gibt heute manche Menschen, die meinen, daß auf unsere gewalttätige und kriegerische Zeit eine solche der Besinnung und Nächstenliebe folgen wird. Für ganz ausgeschlossen erscheint dies nicht; es werden aber wohl noch lange Perioden der Menschheitsgeschichte vergehen, bis sich das Extrem auf jene Mitte einstellen wird, die eine Voraussetzung für eine solche Zeit ist, welche die Weisen der Antike schon so gepriesen haben."
Sehr feierlich waren auch die Totengottesdienste aus Anlaß des Ablebens eines Königs oder eines Mitgliedes der königlichen Familie. Besonders erinnerte sich Prinz Friedrich Christian an den Tod seines Großvaters, König Georg von Sachsen, 1904 im Lustschloß Pillnitz bei Dresden, wozu wir seinen Lebenserinnerungen die folgende Schilderung entnehmen können:
"Als er (König Georg) wie ein Soldat gestorben war, wurde sein Sarg auf der Haupttreppe zum kleinen Eibhafen des Wasserpalais herabgetragen. Dabei ertönte ein Wirbel herabgeschraubter Trommeln und dort stand ein Dampfer, welcher den königlichen Sarg bis ans Terrassenufer in Dresden brachte. Auf den steinernen Dämmen beiderseits des Stromes standen oder knieten sächsische Landsleute, um von ihrem König Abschied zu nehmen. Nachdem am Dresdner Eibufer der Sarg auf eine Lafette gestellt war, setzte sich der Trauerzug langsam zum Portal der Hofkirche hin in Bewegung. Dabei ertönten die Glocken der Stadt, aus denen der tiefe Baß der ehrwürdigen Hofkirchenglocken deutlich herausklang. Einige Tage nach der nächtlichen Überfuhrung erfolgte die feierliche Beisetzung. Die Kirche war ganz schwarz verhangen. Um den nun geschlossenen Sarg stand der höfische und militärische Ehrendienst. Neben ihm und vor ihm hatten die Fürsten Platz genommen. Wir befanden uns oben in unserer Loge hoch über dem Hochaltar.
Es ertönte, wie schon oft bei solchen Anlässen, das Requiem von Luigi Cherubini in c-moll, eine Offenbarung klassischen Geistes, wenn auch viel später im 19. Jh. entstanden. Unvergeßlich immer wieder die Einleitung zum Dies irae: Eine Posaunenfanfare, die in einem Beckenschlag ausklingt. Man ahnt die Furchtbarkeiten des letzten Gerichts. Ein Stück Romantik in dem sonst klassischen Opus. Nach dem Agnus Dei sank der Sarg allmählich in die Tiefe der Gruft. Die Versenkung schloß sich. Auch eine geschichtliche Epoche war damit ins Grab gesunken, die vom zähen Widerstand gegen alle gefährlichen Neuerungen gekennzeichnet war, die am Erprobten, auch wenn es nicht mehr zeitgemäß schien, treu festhielt."

Auch die klassische Musik wurde am Dresdner Hof in liebevoller Weise gepflegt. Das galt in erster Linie für das musikalische Lebenswerk von Ludwig van Beethoven, dem Friedrich Christian die folgenden Zeilen widmete:
"So gab es für uns Kinder nur einen im Wunderland der Musik, den wir den Göttlichen nannten: Ludwig van Beethoven. Seine unvergleichlichen Sonaten erklangen so oft auf dem Flügel meines Großvaters im großen Saal des Wasserpalais in Pillnitz, die uns ein böhmischer Musiker wunderbar vorspielte und kommentierte. Er sah aus wie Franz Schubert und verbreitete eine Atmosphäre von musischer Innigkeit und Herzenszartheit, so daß uns diese Stunden unvergeßlich blieben. Wir lebten damals wie in einer ganz anderen Welt. Auch führte er uns in des Meisters Symphonien ein. Der musikalisch veranlagte Teil der Familie schärfte uns ein, daß es sich nicht gehöre, die Symphonien Beethovens nach ihrer Nummer zu benennen, sondern nach ihrer Tonart. So gab es nur eine c-moll - nie eine 5. Symphonie. Das größte Erlebnis der klassischen Musik am Hof von Dresden war die alljährliche Aufführung der d-moll-Symphonie mit dem Schlußchor 'An die Freude' am Palmsonntag. In diesem Zusammenhang möchte ich berichten, welche hohen Anforderungen unsere liebe ältere Generation an die Aufführung dieses berühmten Schlußsatzes stellte. Als einst die wohl großartigste Stelle 'und der Cherub stand vor Gott' von einem zwar gewissenhaften, aber nicht besonders schwungvollen Kapellmeister dirigiert wurde, bemerkte unsere Tante Mathilde, ohne irgendwie ihre Stimme zu dämpfen: 'Dieser Cherub saß vor Gott'."
Neben der Musik wurde auch die Literatur am Dresdner Hof, besonders die Weimarer Klassiker Goethe und Schiller, hoch eingeschätzt und bewertet. Dazu äußert sich Markgraf Friedrich Christian wie folgt:
"Ganze große Passagen ihrer Werke kannte man auswendig und bemühte sich, diese auch gut zu kommentieren. So kannte ich eine schon betagte Dame des Sächsischen Adels, die den ganzen ersten Teil des Faust in ihrem Gedächtnis festgehalten und die überdies alle seine Kommentare gründlich studiert hatte. Wir Kinder erfuhren noch viel Persönliches von Johann Wolfgang von Goethe, denn der Gatte unserer Hofmeisterin war im Hofdienst des Großherzogs Karl Alexander von Weimar gestanden. Dieser Fürst hatte Goethe noch gut gekannt und viel Interessantes aus seiner Umgebung von ihm erzählt. So fiel auf uns ein letzter Strahl von der Sonne, die einst das Goldene Zeitalter von Weimar beschien."
Desgleichen erwies sich auch die Romantik insofern als ein Höhepunkt der kulturellen Entwicklung, als sie die naturgesetzliche Ganzheit des Menschen, der Gemeinschaft und der Kultur betonte und sich gegen die rationalistisch-individualistische Geschichtsauffassung wandte. Alles das waren Momente, die die vertikale, religiöse Schau förderten, also in dieser Hinsicht ganz den Idealen des Hofes entsprachen. Wörtlich schreibt Prinz Friedrich Christian weiter:
"Auch die große Heimatliebe der Romantiker wurde am Hofe von Dresden als ein positiver Zug gewertet. Aus diesem Grunde waren auch die Bilder von romantischen Malern in den Reihen der königlichen Familie sehr beliebt. Das galt besonders für die Werke von Ludwig Richter und Schnorr von Carolsfeld. Beide standen hoch im Kurs in Dresden und mein Urgroßonkel, König Friedrich August II. von Sachsen, erwarb viele Werke dieser beiden Künstler und vieler anderer aus dieser Kunstrichtung für seine Kupferstich- und Handzeichnungssammlung hinzu. Diese wurde dann später durch den Bruder meines Vaters Johann Georg eine der vollständigsten Privatsammlungen der romantischen Richtung in Europa. Wie oft bereitete unser Onkel Johann Georg gerade die Zeichnungen der Romantiker vor uns in seiner stimmungsvollen Bibliothek aus. Eines Tages zeigte er uns ein Blatt von Ludwig Richter, auf dem ein reizendes Mädchen zu sehen war, das Gänse hütete - eine Gänseliesl, wie man im sächsischen Volksmunde zu sagen pflegte. Könnt ihr erkennen, wer das ist? frug uns der Onkel. Sie kommt uns ganz wie eine der Unseren vor , entgegneten wir ihm. Es ist doch meine Schwester, Maria Josefa, Eure Tante. Wie Sie wissen, heiratete sie den Erzherzog Otto von Osterreich, und sie war die Großmutter des jetzigen Chefs des Hauses Habsburg, Erzherzog Otto von Osterreich.
Auch die romantische Musik erfreute sich großer Beliebtheit an unserem Hof. Robert Schumanns a-moll-Klavierkonzert erklang auf Wunsch unserer Könige in allen Symphoniekonzerten, jenes gemütsvoll, feinsinnige Werk, das der aus Zwickau stammende Komponist einst als junger Ehemann schuf und aus dem der ganze Zauber unserer Heimat und das Glück über die Ehe mit der reizenden Clara Wieck spricht."

Neben Robert Schumann standen auch die Werke von Carl Maria von Weber und von Richard Wagner am Dresdner Hof hoch im Kurs. Im Rahmen der Höfischen Musikpflege besaß vor allem die Dresdner Hofoper erhebliche Bedeutung. In ihr wurden in erster Linie Werke heimischer Komponisten, daneben auch italienischer Meister gepflegt. So wurde für Dresden besonders die Oper "Tannhäuser" von Richard Wagner wichtig. Dieses bedeutende Werk erlebte 1845 in Dresden seine Uraufführung und erschien von da an regelmäßig im Repertoire der Hofoper. Es ist nur natürlich, daß sich auch Prinz Friedrich Christian von Sachsen als großer Freund und Anhänger Richard Wagners mit dessen Lebenswerk in seinen Erinnerungen ausführlich beschäftigte. Die Dresdner Hofoper und die ihre Tradition bis in die Gegenwart fortsetzende Staatsoper brachten noch viele wichtige Eindrücke und Höhepunkte, die Markgraf Friedrich Christian von Meißen persönlich miterleben durfte. In diesem Zusammenhang soll an die beachtliche Reihe der Ur- und Erstaufführungen von Opern des Münchner Musikers und Komponisten Richard Strauss erinnert werden. Wie bekannt, bestand zwischen Strauss und Friedrich Christian eine persönliche Freundschaft, wie mir dessen Schwiegertochter Alice Strauss bei einem Besuch in ihrer historischen Villa in Garmisch-Partenkirchen bestätigte.
Dieses Erbe meines Vaters, Prinz Friedrich Christian von Sachsen, im neuzeitlichen Gewand fortzusetzen, ist eine Aufgabe, die wir seit 8. Oktober 1990 mit den "WACHWITZER GESPRÄCHEN" in seinem Sinne fortsetzen wollen.

 

 

 
           
 

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